Ich bin bei der Onlineausgabe des Stern über einen interessanten Artikel gestolpert, der mich ein wenig schmunzeln lies.
Ausgang war ein Tweet meines Namensvetters Niko Bayer:
Kann sich hier jemand mit Ü40
— Niko Bayer (@niko_bayer) 7. Oktober 2019
daran erinnern, wie man uns sagte,
dass wir keine Taschenrechner
benutzen dürfen, weil wir später
auch nicht immer einen dabei haben?
Der Artikel des Stern ließ mich nachdenken. Natürlich kenne ich den Satz des (nicht nur) Mathelehrers auch. Sicher gibt es Dinge, die man einfach auswendig lernen muss. So bringt es natürlich nichts, wenn man in einem linguistischen Fach seine Zeit mit dem Nachschlagen von Vokabeln verplempert. Auch wenn ich selbst mittlerweile die Schulzeit weit hinter mir gelassen habe, ist K1 gerade mitten in der Grundschulphase, das Thema auswendig lernen also hochaktuell. Bisher ist mir zum Glück die Diskussion über Taschenrechner bzw. dessen Äquivalent auf einem Mobiltelefon erspart geblieben. Trotzdem macht einen die Selbstverständlichkeit, mit der solche Geräte als vorausgesetzt angenommen werden, nachdenklich.
Nun sind Smartphones seit knapp 10 Jahren am Alltag angekommen. Mich selbst hat allerdings die Begeisterung für diese Geräte nie erreicht. Ich hatte um das Jahr 2009 rum mal einen MDA Compact 4 mit Windows Mobile und, für meinen Geschmack, sündhaft teurem Mobilfunkvertrag, aber das wars. Auch wenn ich es damals großartig fand, zwischendurch mal schnell meine Mails lesen zu können, natürlich nur im WLAN weil Datentraffic damals noch übertrieben teuer war, hat sich bei mir nie ein „haben wollen“-Gefühl eingestellt. So gingen die Jahre ins Land und zuerst wurde der Mobilfunkvertrag durch Prepaid ersetzt, dann das Gerät gegen einfache Mobiltelefone getauscht. Das hat sich bis heute nicht geändert. Aktuell beschränkt sich die mobile Erreichbarkeit ganz klassisch auf Telefonie und SMS (mit einem Nokia 6303). Das sorgt immer wieder für interessante, oft auch ungläubige Reaktionen, insbesondere mit Blick auf eine Tätigkeit in der IT-Branche. Betrachte ich aber mein persönliches Kommunikationsverhalten, muss ich feststellen, daß mir da nichts fehlt. So reicht ein Prepaid-Guthaben von 10 oder 15 Euro bei mir locker für ein Jahr. Witzigerweise wurde meine letzte Karte sogar deaktiviert, weil über knapp zwei Jahre kein Guthaben aufgeladen wurde.
Nun bietet zwar auch mein einfaches Telefon einen Taschenrechner, aber diesen habe ich bisher noch nie genutzt. Im Alltag kommen dann doch wieder die damals zu Schulzeiten durch stumpfes Auswendiglernen antrainierten Grundfertigkeiten zum Einsatz. Kopfrechnen steht immer noch hoch im Kurs, z.B. beim Einkaufen (Klassiker). Auch der Dreisatz, der im o.g. Stern-Artikel als scheinbar obsolet erkannt wurde, begegnet einem immer wieder. Mal schnell 15% von 120 Euro berechnen? Das Ergebnis hat man doch im Kopf schneller zusammen als man das Telefon aus der Tasche gekramt hat.
Man möchte es als Schüler nicht unbedingt einsehen, aber, aus meiner heutigen Perspektive kann ich absolut bestätigen, dass auch andere Weisheiten sich nicht zu Unrecht über Generationen gehalten haben. „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir“ ist ein Ausdruck, der einem immer wieder begegnet. Und, auch wenn es angestaubt klingt, ist das absolut korrekt. Und genau hier liegt die Schwierigkeit, nämlich darin, sich eine ausgewogene Mischung aus Wissen anzueignen. Es gibt Informationen, die sicherlich ausserhalb einer bestimmten Disziplin eher selten abgerufen werden dürften, z.B. wo irgendwelche bayrischen Nebenflüsse der Donau entlangfließen
Nichtsdestotrotz muss auch gelernt werden, wie Informationen effizient beschafft werden. Insbesondere mit Blick auf die stetig zunehmende Anzahl an Quellen, die online verfügbar sind, ist es essentiell, daß Schüler heutzutage die richtige Mischung aus theoretischem praktischem Wissen vermittelt bekommen. Nicht zuletzt müssen Nutzer die gebotenen Informationen bewerten können. In Zeiten von „Fake News“ gilt es bei jeder Quelle zu hinterfragen, wie seriös diese ist. Hierin liegt die eigentliche Herausforderung, denn in der Masse der verfügbaren Quellen diejenigen herauszufiltern, die wirklich belastbare Informationen liefern wird zunehmen schwieriger. Vor dieser Herausforderung stehen aber nicht nur Schüler, sondern auch Eltern und Lehrer. Denn wer soll den Heranwachsenden den verantwortungsvollen Umgang mit dem Informations- und Unterhaltungsmedium Internet vermitteln, wenn auch hier schon Defizite vorliegen?
Wo aber die Donau ungefähr fließt, kann zu wissen dann doch ganz praktisch sein. Dann ist man optimal gerüstet, auch wenn mal kein Internet verfügbar ist.